Der olfaktorische Reiz – Wie unsere Nase unser Befinden steuert

von Amra Buzimkic und Yvonne Deutsch

Egal ob die Topfengolatsche von Oma, das Gemüse im hauseigenen Garten oder die orientalischen Gewürze am örtlichen Markt. Jeder hat einen bestimmten Geruch, der einen an etwas bestimmtes erinnert oder sogar auf eine Zeitreise in die Kindheit mitnehmen kann. Doch wie kommt es, dass uns bei einem bestimmten Geruch sofort ein Bild in den Kopf schießt? Warum läuft uns bei süßem Gebäck auf einmal das Wasser im Mund zusammen, obwohl wir doch pappsatt sind? 

Diese und noch mehr Fragen kann der klinischer Psychologe und Psychotherapeut Ass.-Prof. PD. Mag. Dr. Johann Lehrner beantworten. Er ist als klinischer Psychologe und Psychotherapeut in freier Praxis tätig und ist neben seiner Tätigkeit an der Medizinischen Universität Wien auch Lehrbeauftragter an der Fakultät für Psychologie. Sein psychotherapeutischer Arbeitsschwerpunkt bildet die Verhaltenstherapie und die Schematherapie. 

Mit einem Duft zurück in die Kindheit 

Gerüche und Emotionen hängen tatsächlich sehr stark miteinander zusammen. Der Grund dafür ist, dass beides im Gehirn sehr ähnlich verarbeitet wird. Das Ganze nennt man auch das limbische System. Die Passanten am Naschmarkt erwähnten mehrmals, dass sie mit bestimmten Gerüchen, Heimat und Kindheit verbinden. Warum wir bei bestimmten Gerüchen sehr stark reagieren und diese uns sogar in bestimmte Situationen zurückversetzen können, dazu gibt es immer wieder aktuelle Studien. Man geht davon aus, dass wenn wir mit einem Geruch in Kontakt treten, die Wertigkeit eines Duftes erlernen und damit bestimmte Assoziationen bilden. Also je nachdem was und wieviel dieser Geruch in uns in diesem Moment auslöst, desto niedriger oder höher ist der Erinnerungsfaktor. Jedoch gibt es auch Studien, die in verschiedenen sozialen Gruppen, auf der gesamten Welt verteilt, geforscht und herausgefunden haben, dass es ähnliche Geruchsprofile gibt. Beispielsweise hat man festgestellt, dass es bei Jäger- und Sammlergesellschaften in Thailand oder Südamerika, als auch in westlichen Gesellschaften sehr ähnliche Geruchsprofile gibt. Daraus folgern die Autoren, dass es wahrscheinlich auch so etwas wie einen angeborenen Mechanismus gibt. Kulturelle Unterschiede gibt es also definitiv. Was jedoch noch nicht endgültig geklärt wurde, ist die Frage ob sie angeboren oder angelernt sind, sagt Prof. Dr. Lehrner. Das erklärt auch, warum beispielsweise Personen aus der deutschen Kultur oft sehr stark exotische Gerüche wie speziell gewürztes Fleisch weniger angenehm finden. 

Wenn der Geruchssinn verloren geht 

Auch wenn man versucht dem Begriff „Corona“ aus dem Weg zu gehen, spielt er doch eine sehr wichtigen Rolle im Bezug auf die olfaktorische Wahrnehmung. Wichtig zu sagen ist, dass unser Geruchssinn 24 Stunden arbeitet und dauerhaft Gerüche aus der Umwelt untersucht. Dieser hat auch eine gewisse Warnfunktion. Zum einen in Bezug auf Essen. Er ist also dafür da, um schlechtes Essen, Essen das nicht verträglich ist usw. zu erkennen. Zum anderen auch in Bezug auf Gefahren (Gas, Rauch) und natürlich ist er auch für die Gerüche da, die wir als angenehm empfinden, wie beispielsweise gutes Essen oder Parfüms. Wenn jemand aufgrund von gewissen Ereignissen den Geruchssinn verliert, dann ist natürlich auch mit einer eingeschränkten Wahrnehmung zu rechnen. Das kann zum einen ein Sicherheitsrisiko sein, zum anderen kann es aber auch sein, dass die Lebensqualität etwas verloren geht. Unser Geruchssinn spielt auch besonders bei der Partnerwahl eine Rolle, da wir schon am Geruch einer Person entscheiden können, ob wir diese mögen oder nicht. Laut Prof. Dr. Lehrner gibt es Personen die dadurch sofort beeinträchtigt sind und eine Einschränkung der Lebensqualität wahrnehmen. Andere wiederum merken das zu Beginn gar nicht. Beispielsweise kann das im zunehmenden Alter passieren. 

Was kann man nun aber gegen eine Riechstörung tun? Der Experte erklärt, dass es unterschiedliche Riechstörungen gibt. Eine davon wird periphere Riechstörung genannt, die sich zentral im Gehirn abspielt. Bei einem Schnupfen beispielsweise, ist die Luftzufuhr für eine gewisse Zeit etwas eingeschränkt und das Riechen fällt einem bekannterweise deutlich schwerer. Sobald die Nase wieder frei ist, ist auch die Riechstörung quasi behoben. Es gibt aber auch Riechsinneszellen, die direkt in der Nase zerstört werden können. Diese wachsen in der Regel alle 30 Tage von alleine nach und sind somit eine der wenigen Nervenzellen, die neu entstehen können. Um das genauer zu erforschen, wurde ein sogenanntes systematisches Riechtraining entwickelt. Dabei haben PatientInnen, die an einer Riechstörung leiden, vier verschiedene Duftstoffe bekommen, welche sie über mehrere Tage lang wiederholt riechen sollen. Durch diese Wiederholung und Stimulation kann der Geruchssinn wieder zurückkommen. 

Gerüche als Marketingstrategie 

Seit mehreren Jahren gibt es auch eine eigene Marketingstrategie, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Mittlerweile gibt es sogar eigene Unternehmen, die sogenanntes Duftmarketing betreiben und darauf spezialisiert sind, Düfte für bestimmte Innenräume wie Restaurants, Hotels und Geschäfte, zu entwickeln. Das Ziel ist es, die Düfte so angenehm wie möglich für potenzielle KundInnen zu machen. Es wurde auch mehrmals bestätigt, dass gute Düfte ein gewisses Wohlgefühl auslösen und Menschen dazu animieren, sich länger in diesem Raum aufzuhalten. Ob sich die Düfte direkt auf das Kaufverhalten auslösen und Menschen dadurch auch mehr kaufen, wurde noch nicht klar festgestellt. Jedoch wurde eine Studie zu Zahnarztangst durchgeführt, bei der man einen klaren Erfolg von Düften auf das Verhalten erkennen konnte. Dazu wurden Personen eingeladen, die Angst vor einem Zahnarztbesuch haben. Abwechselnd wurden in den Warteräumen Musik, Lavendelöl und Orangenöl verwendet um zu sehen, was das bei den Menschen auslöst. Tatsächlich hatte am Ende der Duft des Orangenöl die Angst etwas gehemmt und laut ProbandInnen ihnen ein beruhigendes Gefühl beschert. Daran kann man also erkennen, dass Düfte unser Verhalten durchaus verändern können, es aber nicht immer zwingend müssen.